Gedenken2022

#WeRemember

Am 27. Januar wird deutschlandweit jährlich den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. In diesem Jahr hatten die Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums die Möglichkeit an diesem Gedenktag mitzuwirken. Im Gewi-Profil, das sich in der Jahrgangsstufe 10 mit dem Thema „GEDENKEN-MAHNEN-ERINNERN“ befasst, entstanden in Gruppenarbeit lyrische Texte, welche die SchülerInnen in Freiberg auf der Gedenkveranstaltung vortragen durften. Der Erarbeitung der Schülerbeiträge ging ein vierstündiger Workshop zum jüdischen Leben voraus, der von der Deutschen Gesellschaft e.V. geleitet wurde. Durch diesen konnten die SchülerInnen ihre Geschichtskenntnisse der 9. Klasse reaktivieren und sich emotional erneut in die Schicksale der Opfer denken.

Doch was kann man sagen zu einem solchen Anlass?

Wie drückt man aus, was keiner zu sagen wagt?

Die richtigen Worte zu finden, fiel den Schülern und Schülerinnen zunächst nicht leicht. Fest stand jedoch, dass keine andere Gattung Emotionen zu solch schrecklichen Ereignissen besser transportieren kann als die Lyrik. Wenngleich die entstandenen Ergebnisse unsere Betroffenheit nicht ansatzweise in Worte fassen können, sollen sie dennoch ein Zeichen setzen – ein Zeichen für mehr Menschlichkeit.

Text: Nicole Sturzbecher

 

„Jedem das Seine“

„Jedem das Seine“ – was heißt das?

Ich öffne meine Augen, ein letztes Mal

Gestern noch sah ich meine Frau und mein Kind vor mir

Wo sie jetzt sind – ich weiß es nicht

Verloren

Irgendwo in der Masse

Ich weiß, sie werden warten

Auf einen Brief, eine gute Nachricht, ein Lebenszeichen

Ich weiß, sie werden es nie bekommen

Noch einmal denk ich zurück, schließe meine Augen – ein letztes Mal

„Jedem das Seine“

Ich öffne meine Augen, ein letztes Mal

Ich stehe im Zug und schaue in die leeren Gesichter

Niemand lacht, niemand jubelt – nicht einmal ein Wort sagen sie

Ich weiß, dass sie es wissen

dass sie wissen, wohin diese Reise geht

doch keiner wagt es zu sagen

„Jedem das Seine“

Ich öffne meine Augen, ein letztes Mal

Ich habe gesprochen, habe geschrien, habe meine Stimme genutzt

Doch nun steh ich hier – hatte es alles einen Sinn?

Ich gebe alles, was ich habe, alles, was ich bin

Der Preis ist hoch, doch ich zahle ihn

„Jedem das Seine“

Ich öffne meine Augen, ein letztes Mal

Mir wurde ein Versprechen gegeben

Mir das Meine – soll es das sein?

Ich hatte Hoffnung, Hoffnung auf Heilung

Doch nun steh ich hier

„Jedem das Seine“

Ich öffne meine Augen, ein letztes Mal

Ich sehe das Haus von außen

Es wirkt verändert, seit ich es das letzte Mal sah

Waren es Tage, Monate, Jahre?

Ich weiß es nicht

Sie haben mich

Alles umsonst

Oder vielleicht doch nicht?

„Jedem das Seine?“

Nun stehen wir alle hier und öffnen unsere Augen

Und endlich erkennen wir, was wirklich war

Sehen den Hass, sehen das Leid, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Wir gedenken nicht, weil wir das Leid damit ungeschehen machen,

Den Hass verschwinden lassen

Wir gedenken, um nicht zu vergessen, um zu verstehen und zu verbessern

Deshalb stehen wir alle heute hier

(Jana Vogler und Johanna Sarodnik)

Fotos: Christian Möls